Über ebooks, Schnittmuster, Nähanleitungen … und den Umgang mit dem Ganzen

In meinem Beitrag geht es nicht nur um erbsünde, es geht um ebooks und Schnittmuster im Allgemeinen und es geht auch um Postings und Reaktionen in Nähgruppen. Und darum, wie man Antworten auf seine Fragen findet, wenn man dies denn wirklich möchte.

Viele von uns nähen nun schon eine ganze Weile. Aber es gibt ja auch einige, die täglich neu dazu kommen und die sich noch nicht auskennen. Die Fragen haben und nicht wissen ob der Fehler bei ihnen oder woanders liegt. Und an wen sie sich mit ihren Problemen wenden können. Auch ihre Fragen sollten geduldig, freundlich und so ausführlich wie möglich beantwortet werden, denn wir haben alle irgendwann einmal klein angefangen. Natürlich kann man sich alles auch mühsam zusammen suchen, aber … warum? Wir alle zusammen sind eine Interessengemeinschaft und Mitglieder in diversen Nähgruppen. Wir können uns austauschen und Auskunft geben, wenn wir es möchten, oder wir können es auch einfach lassen. Dazwischen aber, sollte es nichts geben. Vor allem keine verletzenden Kommentare.

Wären wir nicht in der virtuellen Welt von Facebook, sondern säßen bei einer „echten“ Nähveranstaltung zusammen, so würden wir doch auch Fragen beantworten und nicht sagen: „Sorry, das nervt. Irgendwann wurde es doch heute schon erklärt“, oder „google doch einfach!“.

 

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Also: Wer antworten mag, der antwortet, alle anderen können die Fragen auch einfach überlesen.
Für die Näheinsteiger unter uns gebe ich zunächst eine kurze Übersicht über ebooks, Schnittmuster und das „Drumherum“.

Was sind ebooks?

Und wo liegt der Unterschied zu einem fertigen Schnittmuster, z.B. aus einer Zeitschrift?

ebooks SIND Schnittmuster, zum eigenen Anfertigen von Kleidungsstücken. Sie heissen ebooks, weil sie in digitaler Form als PDF erhältlich sind. Sie werden herunter geladen, ausgedruckt und zusammengeklebt – anschließend wählt man anhand der Maßtabelle die passende Größe und schneidet sich die entsprechenden Schnittteile in dieser Größe aus.

ebooks sind vor Allem für Nähanfänger geeignet, da sie übersichtlicher sind als Schnittmuster aus Zeitschriften, bei denen aus Platzgründen teilweise 12 Schnittmuster übereinander liegen. Außerdem enthalten die meisten ebooks sehr ausführliche, bebilderte Schritt-für-Schritt Nähanleitungen, so dass auch ein absoluter Anfänger damit starten kann.

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ProbenähenWas ist das? Wie entsteht ein Schnitt?

Für erbsünde entsteht ein Schnitt zunächst in meinem Kopf. Vielleicht suche ich für mich nach einem Kleidungsstück und finde nichts, was meinen Vorstellungen entspricht, oder eine meiner Töchter kommt mit einem bestimmten Wunsch auf mich zu. Oder ich habe eine Idee, die ich unbedingt sofort umsetzen möchte. 

Gemeinsam mit meinen Töchtern entstanden beispielsweise die Schnittmuster Gula, Acedia, Levitas und Ira. Ich lasse mir ihre Wünsche erklären und mache eine erste, grobe Skizze. Gefällt ihnen diese, nehme ich Maß und zeichne den Schnitt in meiner Größe vor. Dann schicke ich den Entwurf an meine Schnittdirectrice, die diesen dann in allen gewünschten Größen professionell gradiert. Den entstandenen Schnitt nähe ich noch einmal in meiner Größe und probiere erneut. Gibt es Änderungen, so gehen diese noch einmal an die Schnittdirectrice. 

Sind aber bis hierhin alle glücklich und die erste Testgröße passt, stelle ich eine Probenähgruppe zusammen. Meist sind dies Frauen, die bereits für mich genäht haben, da die Zusammenarbeit hervorragend klappt. Da aber jeder in seiner Freizeit – neben Familie und Beruf – näht, kann es sein, dass die ein oder andere keine Zeit hat. Dann schaue ich mich auch nach neuen Probenähern um, meist in meinen erbsünde Facebook-Gruppen, wo ich sehen kann, was sie gerne nähen und welche Größen sie testen können. 

Es wird eine Probenähgruppe auf Facebook gegründet, in der der erste Schnittentwurf sowie die vorläufige Nähanleitung hochgeladen werden. Die ausgewählten Probenäher werden eingeladen und bekommen Hinweise, worauf sie achten müssen: Beispielsweise wo ich noch Feedback benötige, ich mir nicht sicher bin oder noch genauere Maße für die Maßtabelle brauche.

Dann beginnen diese großartigen Frauen mit dem Nähen, sie messen aus, probieren an und ich sammle das Feedback. Und an dieser Stelle möchte ich betonen, dass durchaus Kritik und Verbesserungsvorschläge kommen. Es näht nicht jeder begeistert den Schnitt und sagt: Ah perfekt, kann raus!!! Gott sei Dank kann ich mich auch hier auf meine Probenäher verlassen, die mir direkt sagen, wenn irgendetwas nicht stimmt. Denn wenn jeder einfach alles schönreden würde, wäre dies fatal und meine Kunden später enttäuscht. Das will ich auf jeden Fall vermeiden, und so wird auf jeden Hinweis beim Probenähen eingegangen. 

Haben alle ihre Größen genäht und habe ich zu jeder Größe von mehreren Probenähern Feedback, können erste Anpassungen des Schnittes erfolgen, sofern dies nötig ist. Dann wird das Schnittmuster von der Schnittdirectrice korrigiert, anschließend wird der korrigierte Schnitt noch einmal von allen genäht. Bei Unklarheiten oder argen Differenzen beim Feedback, werden weitere Personen ins Team geholt, bis ein optimales Mittelmaß gefunden wird.

Der Schnitt wird fertig gestellt, die finale Anleitung fotografiert und geschrieben.
Dann geht der Schnittentwurf an Herrn erbsünde, der das Layout überarbeitet und den Schnitt digitalisiert. Im finalen Schritt kontrolliere ich alles noch einmal auf Fehler (sind die Größenbezeichnungen richtig, ist kein Schnittteil vergessen worden, stimmt das Testquadrat, passen die Seiten perfekt aneinander, stimmen die Seitenzahlen etc.) Und erst wenn alles, wirklich alles passt, dann wird das ebook veröffentlicht. Ansonsten wird noch weiter getestet, angepasst, gradiert etc.

So. Das ist Probenähen, so entsteht ein Schnitt. Zumindest bei erbsünde – aber bei den meisten meiner Kolleginnen läuft es auch so ab.

 

Wenn ich ein ebook kaufe, habe ich dann einen Schnitt, der mir auf den Leib geschneidert ist?

Nein.
In der Regel werden ebooks ausgiebig von vielen Frauen unterschiedlichster Körpergröße, Figur und den dazugehörigen Eigenheiten getestet.

Trotz alledem: ebooks sind keine Maßanfertigungen. Schnittmusterersteller müssen sich nach einer gewissen Norm und den Angaben ihrer Probenäher richten und irgendwo auch ein Mittelmaß finden. Und: Auch Schnittmuster aus Nähzeitschriften müssen teilweise angepasst werden. Das ist völlig normal und kein Grund zur Besorgnis. Denn kein Mensch ist gleich. 

Eine perfekte Maßanfertigung, wie es sie beim Schneider in Einzelanfertigung gibt, ist bei Schnittmustern generell einfach nicht möglich. Jede Figur ist anders … manche Frauen haben einen großen Busen und eine schmale Taille, manche einen kleinen Busen und breite Hüften, andere wiederum sind schmal aber machen Sport und haben muskulöse Arme und Beine. Bei figurnahen Schnitten berücksichtigen ebook-Ersteller dies so gut wie möglich. Trotzdem muss jeder seine eigenen körperlichen Besonderheiten berücksichtigen.   

 

Anleitungen – ach nett, aber muss man sie unbedingt lesen?

Ja, bitte. Anleitungen unbedingt lesen!!!

Mit jedem ebook bekommt man eine ausführliche, bebilderte Schritt-für-Schritt Anleitung. Auch wenn man schon ein erfahrener Näher ist und gleich mit dem Nähen starten möchte, sollte man immer zuerst die Anleitung zum Schnitt durchlesen, bevor man mit dem Zuschneiden beginnt. Anleitungen enthalten – neben allgemeinen Informationen zu geeigneten Stoffen und dem benötigten Material – oft auch Hinweise, die speziell für dieses eine Schnittmuster gelten. Da kann man schon 100 Raglan- oder Fledermausshirts genäht haben, es kann sein, dass man eben dieses anders nähen muss. Daher bitte immer die Anleitung lesen.

 

Los geht´s.

Nun hat man seinen Lieblingsschnitt gekauft, hat dazu unzählige Probenähbeispiele gesehen, den passenden Stoff gewählt und schon das fertige Kleidungsstück vor Augen. Bevor es ans Zuschneiden und Nähen geht, sollte jedoch folgendes beachtet werden:

  1. Stimmt das Testquadrat?
  2. Kontrolliere die Maßtabelle!

Bevor du startest, kontrolliere das Testquadrat. Es muss exakt die angegebene Größe haben. Ein paar nützliche Tipps dazu findest du im Interview mit dem Testquadrat.

Stimmt der Ausdruck, so gehe die Maßtabelle durch, bevor du deine Schnittteile ausschneidest. Auch wenn du immer eine Größe 44 trägst, kann es bei dem betreffenden Schnitt anders sein. Der Schnittersteller gibt in der Maßtabelle an, welche Größe du bei genau diesem Schnittmuster wählen musst. Es kann dabei sein, dass du an Brust, Taille und Hüfte unterschiedliche Größen benötigst und den Schnitt erst noch anpassen musst. Auf meiner Seite findest du einige Tutorials zum Anpassen von Schnittmustern.
Und dann endlich kannst du zuschneiden und nähen. Kleiner Tipp: Am besten überträgst du die Änderungen, die du vorgenommen hast, direkt auf den Schnitt, so kannst du beim nächsten Mal direkt das gut sitzende Kleidungsstück nähen. 

 

Hallo Kritik – komm ich drück dich mal

So frustrierend es ist – besonders bei Erwachsenenschnitten, weil man ja doch einiges an Stoff verbraucht: Es kann vorkommen, dass ein Schnitt einmal trotz Anpassungen nicht passt. Nun muss die Ursache gefunden werden. Was ist schiefgelaufen?

Wichtig ist zunächst: Wie gehe ich vor, wenn ich ein Problem mit einem Schnittmuster habe? Generell: Kritik ist erlaubt! Kritik soll, muss und darf es geben. Aber Kritik muss sachlich formuliert und vor allem an die Person gerichtet sein, die es betrifft. Und ganz wichtig: Diese Person sollte sich dazu äußern können.

Teilweise gibt es Postings in großen Nähgruppen – es wird sich massiv über einen Schnitt beschwert. Viele springen erfreut über eine abendliche Abwechslung auf den Zug auf und bestätigen den Postersteller. „Wie bitte???“ oder „Geht ja gar nicht!!!“, ist da zu lesen. Andere versuchen zu vermitteln, oder ergreifen Partei für einen Schnitt. „Stopp, Moment! Bei mir sitzt der super!“ Der Postersteller wiederum fühlt sich angegriffen und denkt, er dürfe sich generell nicht beschweren. Das Ganze eskaliert.

Stop. Hier läuft etwas falsch!

 

Atme.

Zunächst bitte erst einmal durchatmen. Kritik ist immer erlaubt! Aber fragt zunächst denjenigen, der euch helfen kann am besten direkt. Nämlich den ebook-Ersteller. Startet nicht sofort eine Diskussion in einer allgemeinen Nähgruppe, die später eskalieren könnte. Vielleicht ist dies für viele unterhaltsam, aber doch nicht Sinn und Zweck und vor allem nicht hilfreich! Mit so einem Beitrag ist niemandem geholfen und wenn der Fehler vielleicht sogar bei euch selbst lag, verunsichert ihr andere und verhaltet euch dem ebook-Ersteller gegenüber unfair.

Hat der ebook-Ersteller keine extra Facebook-Nähgruppe (bei mir z.B. „erbsünde Schnittstelle“ oder „erbsünde Plus, wir lieben Kurven“), in denen Fragen gestellt werden können und antwortet er überhaupt nicht auf Nachrichten, so ist es natürlich durchaus legitim, sich woanders Hilfe zu holen. Am besten jedoch ist es zu versuchen, ihn direkt anzuschreiben. z.B. per Mail oder per PN auf Facebook. 

Alles andere ist nicht produktiv … denn ich gehe davon aus dass es darum geht, das Problem zu lösen, nicht darum, seinen Frust los zu werden, der vielleicht unbegründet ist.

 

Das Kleidungsstück passt nicht – was kann passiert sein?

Hier beziehe ich mich jetzt explizit auf meine Schnittmuster.

Die Delicia war mein erster Schnitt, das ich in Zusammenarbeit mit meiner Schnittdirectrice entworfen habe. Mein erster Schnitt, der nicht weit ausfällt, sondern an Armen und Brust körpernäher sitzt. Wir haben sehr genau gearbeitet und mein Probenäh-Team hat alle Eventualitäten berücksichtigt. Von schmaler, zarter Statur, bis hin zu Kurven oder Muskeln … und es hat allen gepasst.

Nun gab es dennoch ein paar Fälle, bei denen Käuferinnen die Ärmel nicht gepasst haben, sie waren zu eng.

Überblick (Zahlen resultieren aus dem Feedback, das bei mir persönlich ankam) * über 2.000 verkaufte ebooks * daraus 9 Beschwerden für zu enge Ärmel * auf Nachfrage: 7x falsch ausgedruckt, 2x sehr kräftige Arme, was die betreffenden Damen aber auch wussten. Hier hätte der Schnitt an den Armen angepasst werden müssen.
Die Damen konnten nach Rücksprache mit mir und auch in den erbsünde Gruppen den Fehler finden und korrigieren. Heraus kam eine super sitzende Delicia und alle waren glücklich.

 

Bei meiner Kaufkleidung habe ich Größe 40, hier muss ich eine 44 nähen!!!

Ich beziehe mich noch einmal auf die Größe. Du nähst sonst immer eine 40 und musst bei meinem Schnitt vielleicht eine 44 nähen? Keine Panik! Das heisst ja nicht, dass du zugenommen hast! Aber irgendwie muss ein Schnittmusterersteller seine Größen benennen. Sei es mit 36, 38, 40 – oder S, M, L  … es muss eine Bezeichnung geben. Man könnt die Größen auch mit A, B, C etc. benennen – oder grün, gelb, blau …. aber wozu? Ich beispielsweise liege bei Kaufkleidung zwischen 42 und 46. Ich kriege deswegen aber keine Panik oder kaufe nicht mehr bei der Modemarke, bei der ich eine größere Größe habe – ich weiss einfach, dass ich dort eine größere Größe brauche.

 

Schnittmuster sind Vorlagen. Keine zweite Haut. 

So. Viel Text, keine Bilder … ich hoffe, ich konnte ein wenig aufklären, damit jeder weiss: Nähen soll Spaß machen. Nähen ist Kreativität. Und Hilfe naht, wenn darum gebeten wird. Und bitte: Seid freundlich zueinander!!! Unterstützt euch gegenseitig und helft euch. Dann wird das Ganze zu einem tollen Hobby und ihr könnt die Kleidung tragen, in der ihr euch absolut wohlfühlt. 

Ich drücke euch, eure Ilka

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