Das erbsündchen und das Teilen.

Das erbsündchen nimmt immer mal ein Spielzeug mit in den Kindergarten.

 

Das kann ein Dinosaurier oder ein Krokodil sein, ein Kuscheltier (Hasi, Affi oder Pferdi, oder auch Hundi… ) oder – wie gestern – ihre geliebte Polizeikelle.
Nun holte ich sie am Nachmittag vom Kindergarten ab und während ich mich noch mit einer Mutter unterhalte, bekundete deren Sohn hohes Interesse an des erbsündchens Polizeikelle.

„Kannst du sie mir bitte leihen?“, war seine höfliche Frage.
Das erbsündchen packte die Kelle fester, drehte sie hin und her und antwortete schlicht und einfach: „Nein.“

Ich – als sozial kompatibler Mensch erzogen, ältestes Kind mit zwei Geschwistern und auf Teilen trainiert sagte: „Schnäuzchen! Wenn er es doch gerne leihen möchte, dann gib es ihm doch! Es ist nur bis morgen früh, also nur ein paar Stündchen!“
Das erbsündchen dachte erneut nach, drehte wieder die Kelle hin und her, seufzte und antwortete: „Nein.“

Die Mutter des Jungen stand neben mir. Ich schaute sie entschuldigend an. „Sie kann teilen und verschenkt normalerweise mehr, als mir lieb ist, aber sie muss noch lernen zu geben, wenn jemand sie darum bittet.“
Da sagte die Mutter zu mir: „Warum muss sie etwas tun, was sie nicht möchte? Mein Sohn wird es überleben.“

Und in diesem Moment wurde mir klar: Wie blöd bin ich eigentlich. Ich selbst wurde erzogen abzugeben, zu teilen. Anderen eine Freude zu machen, Harmonie zu verbreiten, das zu tun, was von einem erwartet wird. Gerade jetzt, im Alter von 46 lerne ich wieder, auch mal „NEIN“ zu sagen. Und es fällt mir nicht leicht, denn ich bin schon automatisiert.

Wie paradox ist es da, dass ich – aus reiner Gewohnheit oder „weil man das so macht“ – meinem Kind beizubringen, dass man auch mal über seinen Schatten springen muss. Dass man teilen MUSS, auch wenn man es nicht möchte. Dass man bei einer solchen Frage nicht nein sagen darf, auch wenn man es eigentlich lieber will. Weil es von einem erwartet wird.

Warum nicht erkennen, dass Kinder ein viel besseres Gefühl haben für das, was sie glücklich macht, was sie akzeptieren können – und was eben nicht. Was sie unglücklich macht.
Man möchte etwas gerade nicht tun? Dann ist das völlig ok! Man darf auch NEIN sagen.
Und so ist das erbsündchen mit seiner Polizeikelle sehr glücklich heimgefahren.
Warum auch immer – es war ihr furchtbar wichtig. Was vielleicht einen anderen glücklich gemacht hätte, hätte sie unglücklich gemacht.

In diesem Moment hätte ich mir am liebsten selbst vor die Stirn gehauen und fand das erbsündchen – einmal wieder – viel weiser, als mich.
Aber gut … ich bin zwar 46, aber lerne ständig dazu. Dieses erbsündchen ist wohl meine kosmische Herausforderung – jemand, der mir zeigt, dass alles auch anders geht.

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